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Dass Erich
Selbmann bis ins hohe Alter „ein streitbarer, den Idealen des
Sozialismus und Antifaschismus verbundener Journalist“ war, wie
ihn der Bundesausschuss der VVN-BdA (Vereinigung der
Verfolgten des Naziregimes - Bund der Antifaschistinnen und
Antifaschisten) bezeichnet, zeigt der folgende Bericht aus dem
Jahr 2005 sehr deutlich.
Das Haus steht, die Idee auch
(Broschüre vom Gegeninformationsbüro
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6. September 2005)
Beitrag zum Konvoi des Zeitzeugen Erich Selbmann am Karl-Liebknecht-Haus am 6.
Mai 2005
Liebe Freunde, liebe Gäste, liebe Genossen, ich bin sehr zufrieden, dass Sie
auch hierher zu diesem Haus, auf diesen Platz, in dieses geschichtsträchtige
Zentrum der Hauptstadt gekommen sind. Der Grund meiner Zufriedenheit über Ihr
Kommen ist auch nicht der mögliche Gedanke daran, dass hier, in dieser kleinen
Weydinger Straße, direkt neben dem Rosa Luxemburg Platz, lange politische
Entscheidungen getroffen wurden – so lange war diese Zeit übrigens gar nicht!
Dieses Haus war ursprünglich ein einfaches Bürohaus. Erst im November 1926 wurde
es zum Sitz des Zentralkomitees der KPD und der Bezirksleitung
Berlin-Brandenburg/Lausitz-Grenzmark (1928 kam dann noch eine Druckerei hinzu).
Doch schon im Februar 1933 war dieses Haus beschlagnahmt, alle Einrichtungen
verdrängt. Im Zweiten Weltkrieg wurde auch dieses Haus, wie so viele im Umkreis,
durch Bombenangriffe zerstört, erst 1949 wurde das Haus – anders als es vorher
war – wieder aufgebaut. Wenn ich dennoch das Wort „zufrieden“ mit Ihrem
Interesse verbinde, so hat das einen ganz besonderen Grund: ich sehe darin Ihr
Interesse an einigen Ereignissen, über die heutzutage keine Zeitung schreibt,
kein Fernsehprogramm Dokumentationen zeigt, Ereignisse, die die heutigen
Machthaber einfach verdrängen wollen – wie man denken soll – mit dem „Tag der
Befreiung“, mit dem 8. Mai nichts zu tun habe: Totschweigen als Mittel der
politischen Propaganda – Schlimmeres kann es gar nicht geben. Die Wahrheit ist,
dass die Partei – die damals hier ihre Zentrale hatte – die erste war, die den
entschlossenen Widerstand gegen die Nazi-Diktatur organisierte, und zugleich die
erste, die von der Nazi-Diktatur brutal angegriffen wurde – besonders deutlich
gerade für alle Welt an diesem Platz. Ich will dies nur an vier Ereignissen kurz
zeigen, über die man eigentlich sehr lang diskutieren könnte:
Am 22. Januar 1933 – also acht Tage vor der Machtübergabe an Hitler – über die
noch niemand sprach, befahl Hitler eine Einschüchterungsaktion, die auf das
ganze Volk wirken sollte: um auf dem Friedhof hier in der Nähe einen Gedenkstein
auf das Grab Horst Wessels zu setzen, sollten 10 000 SA-Männer vom Bülow-Bogen
hier am Karl-Liebknecht-Haus vorbei marschieren. Alle Gegendemonstrationen waren
verboten.
Am 25. Januar fand dann, als eine Antwort darauf, die letzte Massendemonstration
des Roten Berlins hier statt. Etwa 130 000 Kommunisten und Parteilose
marschierten am Karl-Liebknecht-Haus vorbei. Ein Signal, das den Widerstand
gegen die drohende Diktatur der Rechtsradikalen ins Zentrum rückte. Als wenig
später – Hitler war schon an der Macht und die erste Reichstagswahl sollte ihn
bestätigen – der Reichstag in Brand gesetzt wurde, taten die SA- und SS-Organe
alles, um die so genannten Schuldigen anzuklagen. Drei Polizeieinheiten drangen
in dieses Haus ein, die Beschlagnahme von Tonnen von Akten sollte die
Brandstiftung den Kommunisten unterstellen, sie verbieten, ihre Aktivisten in
Zuchthäuser und Konzentrationslager bringen. Und noch eine vierte Episode will
ich nennen, die mich immer zum Nachdenken zwang. Am Abend des 30. Januar, dem
Tag der Machtübergabe an Hitler, ging Maria Reese, eine kommunistische
Abgeordnete, die sehr kritisch war, ins Karl-Liebknecht-Haus und wollte fragen,
wie es weiter gehen soll. Sie traf Wilhelm Florin und fragte ihn, was man nun
machen wolle. Florin hob die Schultern und ließ sie wieder fallen: was soll man
machen, wenn man keine kommunistischen Arbeiter in den Betrieben hat? Die
Tatsache, dass man eine eigene Gewerkschaft, die RGO, gegründet hat erwies sich
als ein folgenreicher Fehler. Maria Reese schrieb in ihr Tagebuch: „Da sitzen
nun die Generale und warten auf die Befehle der Soldaten!“
Von da an richtete man das Bemühen darauf, möglichst breite Bündnisse mit allen
Gewerkschaften, allen fortschrittlichen Parteien, alle zum Widerstand bereiten
Männer und Frauen zu schaffen- bis hin zum 8. Mai.
Erich Selbmann
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